Julia Shandaraeva-Aebi – Estivales 2024

13 juillet 2024 | 12:00 12:40
Église française, Zeughausgasse 8, 3011 Bern

Julia Shandaraeva-Aebi (Koppigen)

Programm

Georg Muffat (1653–1704)
Toccata secunda
aus: «Apparatus musico-organisticus»

Josef Gabriel Rheinberger (1839–1901)
aus: Orgelsonate Nr. 14 in C-Dur, op.165 (1890)
I. Präludium

Max Reger (1873–1916)
Basso ostinato, op. 129 Nr. 6 (1913)
Gigue, op. 47 Nr.2 (1900)
Siciliano, op. 47 Nr. 5 (1900)
«Vom Himmel hoch», op.67/40 (1902)

Petr Eben (1929–2007)
aus: Sonntagsmusik – Musica dominicalis (1958)
III. Moto ostinato

Biografie von Julia Shandaraeva

Seit 2019 ist Julia Aebi-Shandaraeva Organistin an den reformierten Kirchen Koppigen und Utzenstorf. Nach der Ausbildung mit dem Lehrdiplom im Hauptfach Klavier und Korrepetition an der staatlichen Musikhochschule in Tbilissi zog sie nach Moskau. Dort studierte sie an der Moskauer Universität Public Relations und war für zehn Jahre in diesem Beruf tätig. Seit 2015 lebt sie in der Schweiz. Ihr Orgelstudium an der Hochschule der Künste Bern schloss sie mit dem Master Diploma of Advanced Studies (MAS) in Orgel bei Pascale Van Coppenolle und Antonio García ab.

Zum Programm

Die Toccata secunda ist eine von zwölf brillanten Toccaten aus «Apparatus musico-organisticus» (1680) den überragenden Vertreter der Süddeutschen Orgelschule, einer der bedeutenden Komponisten des Barocks – Georg Muffat (1653–1704). Wie andere Toccaten ist auch dieses Stück stilistisch eine Synthese von französischem und italienischem Einfluss mit Abwechslung von toccatenhaften Teilen mit Fugen. Der Anfang steht dem Stil von Frescobaldi sehr nahe, danach wird das Stück etwas «französischer» und endet mit einem Dialog. Die starke Wirkung auf den Zuhörer liegt in der besonderen Sinnlichkeit der Musik, phantasiereiche Passagen und häufige Wechsel von Tempo und rhythmischen Figuren.

Der Name des herausragenden Komponisten, Lehrers, Organisten und Dirigenten Josef Gabriel Rheinberger (1839–1901) ist mit dem kulturellem Schaffen Süddeutschlands verbunden, insbesondere mit München, der Stadt, in der der Komponist sein gesamtes Leben verbrachte. Der bedeutendste Teil sein kompositorisches Erbe sind die Orgelwerke. Darunter stechen zwanzig Orgelsonaten hervor. Man geht davon aus, dass Rheinberger beabsichtigte, vierundzwanzig Sonaten in allen Dur- und Moll-Tonarten zu schreiben und eine Art «wohltemperierte Orgel» nach dem Vorbild von Bach zu schaffen. Diese Hypothese basiert auf der Tatsache, dass zwanzig Zyklen in Tonarten geschrieben sind, die sich nie wiederholen. Allerdings B-dur, cis-moll, Fis-dur (Ges-dur), E-dur blieben ungenutzt. Der erste Satz der Sonate Nr. 14 in C-Dur – das Präludium – wurde 1854 geschrieben, 36 Jahre früher als der zweite und dritte Satz (1890), obwohl bekannt ist, dass der Komponist ab 1868 mit dem Schreiben von Sonaten begann. Das Jahr 1854 markiert im Leben des Komponisten als Abschluss das Studium an dem Königlichen Konservatorium für Musik und den Beginn seiner Tätigkeit als Vizeorganist an der Pfarrkirche St. Ludwig. Dieses Präludium ist ein sehr heller, hoffnungsvoller, fröhlicher und dynamischer Satz. Die feierlichen und lakonischen Motive des Hauptthemas scheinen zum Handeln aufzufordern. Sie wiederholen sich dreistimmig, führen einen langen Dialog, antworten einander. Vielleicht könnte man diesen Satz der Sonate auch «Ode an die Freude» nennen.

Komplettiert wird die Triade süddeutscher Komponisten mit den Werken von Max Reger (1873–1916). Bekannt ist er als Autor von langen und komplexen Kompositionen, die klingen oft so als lägen zwei oder gar mehr Partituren übereinander. Aber es ist nicht so. Reger ist ein aussergewöhnliches Genie, dessen Musik sehr interessant, sehr berührend und eindrucksvoll ist. Reger hat tatsächlich nicht nur alle gängigen barocken Gattungen verfeinert (Präludien, Toccaten, Fantasien und Fugen, Basso ostinato-Formen, Choralvorspiele), sondern auch romantische Charakterstücke. Die ausgewählten Werke für dieses Konzert geben einen unmittelbaren Eindruck von der Innovation des Komponisten, besonderer Stil, Persönlichkeit und seine erstaunliche Fähigkeit der Barock Rhetorik mit Verfahren moderner Musik zu verbinden.

«Moto ostinato» ist eines der häufigsten gespielten Orgelwerke des herausragenden tschechischen Komponisten Petr Eben (1929–2007). Sein Werk umfasst ein breites Spektrum an Gattungen: Oper, Ballett, Oratorium, Kantate, Missa, Sinfonie, Orgel- und Klavierkonzerte, Kammer- und Vokalkompositionen… Die Grundlage des Schaffens des Komponisten ist jedoch die geistliche Musik, in der die Orgel einen zentralen Platz einnimmt. «Moto ostinato» ist der dritte Satz seines berühmtesten Zyklus für die Orgel – Musica dominicalis oder «Sonntagsmusik» (1958). Aus dem Titel des Zyklus macht der Komponist deutlich, dass es sich um festliche, ungewöhnliche, erhebende Musik handelt. «Moto ostinato» mit seinem hartnäckig-ostinaten rhythmischen Elementen ist wie ein Schlachtfeld zwischen Gut und Böse. Es ist schwer zu sagen, ob das Ostinato Motiv oder die Melodie als Thema «Kampf» zum Ausdruck kommen können, aber diese beiden Linien stehen einander gegenüber, sind einander nicht unterlegen, entwickeln sich schnell, wachsen und werden «grösser» und «stärker». Das Finale ist eine richtige Schlacht. Der Sieg ist offensichtlich. Aber wer ist der Gewinner?